Was ist besser: gestochene Haarteile oder geknüpfte Haarsysteme?
Das Prinzip der sog. „gestochenen“ Haarteile:
Bei handelsüblich bezeichneten „gestochenen“ Haarsystemen werden einzelne Haare v-förmig durch eine dünne PU-Folie als Trägermaterial hindurch gestochen. In der Praxis der Fertigung erfolgt das Stechen der Haare mit Hilfe von Tamponier-Maschinen. Somit sind gestochene Haarteile neben den maschinentressierten Haarersatzfrisuren die einzigen Haarersatzlösungen, die teilmechanisch produziert werden können. Nachdem die Haare komplett in die Trägerfolie eingestochen sind, wird deren Unterseite mit einer dünnen Schicht PU versiegelt. Im Regelfall werden die gestochenen Haarteile mit Schichtstärken von 0,02 mm, 0,04 mm oder 0,06 mm produziert. Je dicker die PU-Schicht gearbeitet ist, umso standfester ist der Haarbesatz der Folie. Um ein natürliches Aussehen zu erreichen, wird die obere, dem eingestochenen Haar zugewandte Seite der PU-Folie mattiert; Ziel ist es, unnatürliche Lichtreflektionen unter den Haaren zu unterbinden. Da aufgrund der v-förmig eingestochenen Verarbeitung zwangsläufig die Hälfte des Haarvolumens entgegen der eigentlichen Wuchsrichtung des Haares liegt, muss die Schuppenschicht der Haare vollständig und zuverlässig chemisch entfernt werden, damit sich die Haare nicht ineinander verhaken und dadurch verfilzen. Durch die Zweithaartechnik des Stechens der Haare in eine Folie entsteht eine perfekt natürliche Optik, die dem Betrachter den Eindruck vermittelt, das Haar wachse aus der Kopfhaut heraus.
Das Prinzip einzeln geknüpfter Haarsysteme:
Bei geknüpften Haarsystemen werden 2 bis 4 einzelne Haare mit einer mikroskopisch feinen Knüpfnadel (vergleichbar einer Häkelnadel mit minikleinem Widerhaken) in ein transparentes Tüllgewebe oder eine dünne Folie eingeknüpft. Diese reine Handarbeit ist im Grunde die gleiche Technik wie das Knüpfen eines Teppichs, nur eben sehr viel feiner. Bei der Einzelknüpfung entsteht aufgrund des Knüpfknotens ein dunkler Punkt auf der Basis, welcher bei sehr genauem Hinsehen erkennbar ist. Geknüpfte Haarersatzfrisuren machen es möglich, wenn dies gewünscht wird, die Fallrichtung der Haare zu bestimmen. Es können Wirbel oder Scheitel vordefiniert werden, so dass das spätere Frisurergebnis in Teilen von allein in die gewünschte Richtung fällt. Haarsysteme mit Einzelknüpfung werden vollkommen in Handarbeit gefertigt und benötigen in der Herstellung ca. vier Wochen an Arbeitszeiteinsatz. Die Technik des Knüpfens kann auf unterschiedlichsten Trägermaterialien angewendet werden, wobei eine Basis aus textilem Gewebe nach der Beknüpfung nicht zwangsläufig versiegelt werden muß. Das Basismaterial kann daher vollumfänglich atmungsaktiv bleiben. Demgegenüber kann die oben vorgestellte Technik des Stechens ausnahmslos nur mittels einer Folie erfolgen.
Vor- und Nachteile gestochener Haarsysteme:
Wegen der meist teilmechanischen Verarbeitung zu einem Haarteil können gestochene Haarsysteme zu einem deutlich günstigeren Herstellungspreis gefertigt werden. Der Arbeitszeiteinsatz ist bei Weitem geringer als bei einzeln geknüpften Haarsystemen. Gestochene Haarsysteme erzielen die mit Abstand höchste Natürlichkeit im Aussehen. Der Stirnansatzbereich ist auch bei kritischstem Hinsehen nicht von einer gewachsenen Haaransatzlinie zu unterscheiden. Diese absolute Natürlichkeit gibt den Zweithaarexperten die Möglichkeit, alle nur erdenklichen Frisurwünsche umzusetzen. Aufgrund der minimalen Dicke der Folie ist das System fast nicht zu spüren und legt sich wie eine zweite Haut auf die Kahlstelle. Der technische Aufbau des Haarteils lässt es zu, sich die Haarfolie auf jede Größe zuzuschneiden, so dass für die individuelle Anpassung keine Maßanfertigung notwendig ist, sondern, wenn die passenden Haarfarben vorhanden sind, Konfektion für eine schnelle Lösung verwendet werden kann. Durch das Stechen des Haars ist der Fall der Haare perfekt natürlich und sieht aus wie gewachsenes Haar. Somit sind diese Haarsysteme tatsächlich „Freestyle“-tauglich und können völlig frei frisiert und gestaltet werden.
Die Trägerfolie wird zwar durch die Einstichkanäle der Haare perforiert, jedoch ist die Atmungsaktivität dieser Basis deutlich eingeschränkt. Dies ist für die meisten Anwender kein Problem, kann aber für sportlich sehr aktive Menschen schon zu einem lästigen Thema werden. Wer stark schwitzt, ist möglicherweise mit einzeln geknüpften Haarsystemen auf einer Gewebebasis besser versorgt. Das gilt auch für Kunden mit einer besonders sensiblen Kopfhaut. Ferner ziehen sich die Haare beim Frisieren relativ schnell aus der Basis heraus, so dass diese Haarsysteme - ein wenig Erfahrung im Handling unterstellt - zirka drei, vier, maximal fünf Monate getragen werden können. Dann sind so viele Haare ausgekämmt, dass das Haarsystem erneuert werden muss. Die gestochenen Haarsysteme eignen sich auch nicht als Toupet zur Selbstbefestigung, da die Basis so dünn ist, dass sie beim Wechseln der Klebestreifen sehr leicht einreißen kann.
Vor- und Nachteile geknüpfter Haarteile:
Der wohl größte Vorteil einzeln geknüpfter Frisuren ist ihre Atmungsaktivität. Die Einzelknüpfung erfolgt in der Regel auf Steiftüllgeweben, welche wie ein Stoff aufgebaut und somit luftdurchlässig sind. Auf diese Weise kann die Kopfhaut in Ihrer Funktion aufrechterhalten werden, und man schwitzt durch das offene Gewebe hindurch. Eine Befestigung erfolgt deshalb meist nur im Randbereich, der dafür verstärkt ausgeführt ist. Diese Verstärkung bietet auch die Möglichkeit, ein Haarsystem täglich selbst zu befestigen. Da die Haare von Hand (2 bis 4 Haare auf dem Knoten) durch einen richtigen Knoten im Trägergewebe fixiert sind, ist die Verankerung des Haars auf der Basis deutlich stabiler. Bei einer permanenten Befestigung ist es möglich, diese Systeme – auch hier ein wenig Erfahrung in der Behandlung unterstellt - bis zu einem Jahr zu verwenden. Werden diese Frisuren als Toupet getragen und abends abgenommen, können die Systeme sogar für die Dauer von bis zu zwei Jahren genutzt werden. Für manche Nutzer:innen ist auch die Vordefinierbarkeit der Frisur ein Vorteil, macht sie doch das tägliche Frisieren etwas einfacher.
Durch den Knotenpunkt auf der Basis ist die Natürlichkeit im Vergleich zu einer gestochenen Frisur minimal eingeschränkt; der dunkle Knotenpunkt zeichnet sich auf dem Hintergrund der hellen Kopfhaut ab. Ist eine große Haarfülle gewünscht, kann das bei kritischem Hinsehen zu einem dunklen Schatten am Ansatz führen. Auch wer eine Frisur mit streng nach hinten gekämmtem Haaransatz realisieren möchte, ist mit einer gestochenen Haarersatzlösung besser bedient. Insgesamt ist der Fall der einzelgeknüpften Haare ist nicht ganz so locker wie bei gewachsenem Haar oder einer gestochenen Frisur. Die Einzelknüpfung hat immer ein minimales Eigenleben, vergleichbar mit einem gewachsenen Wirbel. Das ist nicht wirklich ausschlaggebend, erschwert aber ein wenig das tägliche Gestalten der Haare. Die Trägerbasis ist je nach gewähltem Material etwas dicker als der Untergrund gestochener Frisuren; dies kann zu Beginn der Nutzung das gute Tragegefühl etwas einschränken, wobei sich jedoch sehr schnell die Gewöhnung einstellt.
Was ist besser?
Ob eine gestochene oder eine geknüpfte Haarergänzung die bessere Lösung für das persönliche Haarproblem ist, kann pauschal nicht beantwortet werden. Wenn es im Wesentlichen um die perfekt natürliche Optik geht, dann sind gestochene (v-loop) Haarsysteme das Nonplusultra. Stehen der Tragekomfort und die Stabilität der Frisur als Kriterien im Vordergrund, ist zumeist das einzeln geknüpfte Haarsystem die richtige Wahl. Oft entscheidet auch der individuelle Frisurwunsch über den Einsatz der Verarbeitungstechnik, denn mit einzeln beknüpften Unterbauten lässt sich nicht jede Gestaltung perfekt realisieren.
Am Ende müssen alle mit den Haarsystemen ihre höchsteigene Erfahrung machen. Denn so unterschiedlich Menschen sind, so unterschiedlich ist auch das Empfinden beim Tragen eines Haarsystems - es gibt sie nicht, die für jede und jeden immer zutreffenden Erfahrungsgrundsätze. Deshalb ist auch die umfassende Beratung durch erfahrene Zweithaarspezialist:innen notwendig, um eine richtige Entscheidung für die individuell passende Lösung zu treffen.